Normal oder behindert? Gedanken ....

Jeder Mensch hat seine Besonderheiten. Manche davon nennen wir "Behinderungen". Manchmal sind wir aber nicht einfach behindert, sondern werden behindert.

Blinde werden behindert, weil wir in unserer Welt das Visuelle großschreiben und unsere anderen Sinne vernachlässigen.

Stotterer werden behindert, weil wir zu ungeduldig sind und nicht abwarten mögen bis sie ihren Satz beendet haben.

Menschen mit Down-Syndrom werden behindert, weil ihre Emotionalität uns Angst macht.

Autisten werden behindert, weil wir ihre Welt nicht fassen können.

Alte werden behindert, weil sie uns mit unserer eigenen Vergänglichkeit konfrontieren.

Kinder werden behindert, weil sie zu unkontrolliert und frei sind.


Wir leben in einer Zivilisation voller Randgruppen: Kinder, kinderreiche Familien, Behinderte, Alte, Alleinerziehende, Ausländer, Asylanten, Arbeitslose, Singles, Großfamilien, ....

Wer ist denn die Kerngruppe?

Wie viele sind es, an denen wir die Normen erstellen?

Wie lange gehören die "Normalen" zur Kerngruppe?


Ich studierte Architektur, noch in der Vater-Mutter-Kind-Zeit. Das war die Norm. Für diese Familie wurde geplant und gebaut. Jedenfalls für die Zeit, als das Kind schon da, aber auch nicht mehr allzu klein war (sonst hätte man Kinderwagenstellplätze einplanen müssen, die nehmen aber Platz weg). Das Thema "andere Wohnformen" kam auf: Mehrgenerationenhaus, Wahlfamilien. Das waren dann neue Gruppen für die speziell geplant und gebaut wurde. Oder es musste vorhandene Bausubstanz umgebaut werden. Das war aufwendig, teuer und im Ergebnis trotzdem oft suboptimal.


Mir kam als junge Studentin die Idee: Wenn ich nicht gedankenlos für die "Normgruppe" baue, sondern gleich im Hinterkopf habe, wen es alles gibt, welche Bedürfnisse da sind und dieses gleich mit einplane, dann passt doch das eine Haus für verschiedene Bewohner. Es passt auch noch, wenn sich die Bedürfnisse ändern. Und NEIN - es ist nicht grundsätzlich aufwendiger und teurer. Es setzt einfach nur voraus, dass ich den Menschen als Individuum sehe und Besonderheiten als gleichwertig anerkenne.


Für diese Erkenntnis müssen Pferde nicht studieren ;-).

 

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